Die oft beeindruckenden brutalistischen Bauten der Nachkriegszeit verdanken sich einem hohen handwerklichen Können. Die Qualität der Zimmermannskunst zeigt sich in den unbehandelten Schalungsabdrücken auf den Betonflächen. Daher muss die kulturelle Bedeutung der Sichtbetongebäude zumindest teilweise in Bezug auf den Arbeitsprozess und die Fähigkeiten beim Herstellen ihrer Schalungen bestimmt werden. Ziel des Dissertationsprojekts ist es, eine neue Betrachtung der brutalistischen Betonbauwerke als das Kompetenzprodukt der Schalungstechnik zu etablieren. So wird der Denkmalwert der Sichtbetongebäude als Teil der Baugeschichte, insbesondere der Geschichte der Zimmerei, reflektiert. In welcher Weise beeinflusste die Konstruktion der Schalung die Qualität der Sichtbetonoberflächen der brutalistischen Bauten? Die überblicksartige Zusammenstellung und Bewertung von konstruktionsbezogenen Oberflächencharakteristika, die mittels Bauforschung und Dokumentation an bestehenden Sichtbetonbauten erfasst werden, soll helfen, Merkmale und Konstruktionsweisen der nicht mehr vorhandenen Holzschalungen zu bestimmen, und diese virtuell zu rekonstruieren. Außerdem sollen die Gründe für die unterschiedlichen Qualitäten von Sichtbetonoberflächen in Bezug auf die Materialität, die Bauweise, den unterschiedlichen Fähigkeiten der damaligen Betonbauer und die Baustellenbedingungen während der Erstellung von Holzschalungen gefunden werden. Die Untersuchung der Spuren ehemaliger Schalungskonstruktionen auf der Oberfläche der Sichtbetonbauten macht neue Ansätze der Bauforschung und Bauaufnahme erforderlich.
Förderung: Wüstenrot Stiftung